Kritzeln im Unterricht
- Wie sieht denn Dein Heft schon wieder aus? Musst Du immer alles voll kritzeln?
- Leg deinen Stift hin, im Unterricht wird aufgepasst und nicht gemalt!
Ob Formen, Muster, Figuren oder doch nur abstraktes Gekritzel, wir kennen doch alle den Moment, wenn die Schulhefte der Kinder bzw. unsere eigenen Schulhefte eher einer Amateurkunstgalerie ähneln als einem sorgfältig geführten Matheheft. Oft wird dieses kritzeln während des Unterrichts von Lehrkräften leider kritisiert und unterbunden, da es den Anschein von Unaufmerksamkeit erweckt. Aber was wäre, wenn ich Ihnen erzähle, dass tatsächlich das Gegenteil der Fall ist und Malen bzw. Kritzeln im Unterricht die Konzentration beim Zuhören sogar fördern kann?
Hast Du auch gekritzelt?

Ich erinnere mich noch zu gut an die unzähligen Male, die ich ermahnt und reglementiert wurde, weil ich während des Unterrichts gemalt habe und jedes Mal hat es sich ungerecht und unberechtigt angefühlt. Denn ich konnte mich durch das Kritzeln nebenbei, doch viel besser auf das Gesagte konzentrieren, oder?
Zunächst klingt es paradox, aber genauso ist es! Verschiede Studien zeigen, dass Kritzeln zum Beispiel im Unterricht nicht nur unbedenklich, sondern auch förderlich ist. Darauf weist ein Bericht der Wirtschaftswoche hin. Gebert führte wiederholt Tests durch – mit überraschendem Ergebnis: Die Kritzler schnitten besser ab als die anderen Studenten, so der Wirtschaftspsychologe der Fachhochschule des Bundes Münster. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam 2009 die britische Psychologin Jackie Andrade von der Universität Plymouth: Ihr Experiment zeigte, dass Kritzler bei einem überraschenden Gedächtnistest 29 % mehr Informationen behielten als Nicht-Kritzler.
Besonders wenn man nur zuhören muss, also beim auditiven Lernen kann Kritzeln, unheimlich dabei behilflich sein, die Konzentration aufrecht zu halten. Dadurch, dass das Gehirn nebenbei beschäftigt ist, bleibt man mit den Gedanken einfacher beim Zuhören.
Kritzeln als Gedächtnisstütze
In manchen Fällen kann es sogar sein, dass die eigenen Kritzeleien als Notizen fungieren können, da sie für das Gehirn als Denkanstöße an das, während dem Zeichnen, Gehörte wirken können. Man kann sich das quasi so vorstellen, wie wenn man zum Beispiel etwas vergisst was man machen wollte, und um sich wieder daran zu erinnern, zurück in den Raum geht, wo man vorher war, und plötzlich weiß man wieder was man machen wollte, durch eben einen solchen Denkanstoß.
Kritzeln gegen Langeweile
Besonders für hochbegabte Schüler*innen kann dies unglaublich hilfreich sein, da sie noch häufiger als durchschnittliche Schüler*innen dazu neigen, bei Langeweile im Unterricht mit den Gedanken abzuschweifen. Außerdem denken hochbegabte schneller als andere und Kritzeln kann dann dabei behilflich sein, das Chaos im Kopf zu kontrollieren und auch zu sortieren.
Kritzeln kann allerdings selbstverständlich nicht nur im Unterricht bei der Konzentration helfen, sondern auch in allen möglichen anderen Situationen, zum Beispiel kritzeln viele Menschen, während sie telefonieren.
Was beim Kritzeln zu beachten ist

Die Voraussetzung für diese Förderung der Konzentration ist allerdings, dass selbstverständlich neben dem Kritzeln auch noch zugehört wird und man sich nicht darin verliert zu sehr über das was man zeichnet nachzudenken, sondern seinen Fokus eben auf dem gesagten der Lehrkraft bzw. der sprechenden Person behält.
Also falls du bzw. dein Kind sich mal wieder in einer Situation befindet wo es sehr schwer fällt zuzuhören und die Konzentration zu schwinden scheint, kann es nicht schaden einfach mal vor sich hin zu kritzeln um sich wieder auf das Gesagte zu fokussieren.
Text: Charlotte Kröger (25.10.2022)
Danke für den Input. Ich bin davon überzeugt, dass das stimmt, habe als Schülerin selbst gekritzelt. Nur frage ich mich als Lehrerin von bei weitem nicht nur hochbegabten Kindern, wie ich nun merke, welche Kinder sich noch auf den Unterricht konzentrieren und welche sich in den Kritzeleien verlieren. Gibt es dazu Tipps? Vielen Dank!
Hallo Julia, vielen Dank für Deinen Kommentar.
Das Kritzeln darf nicht ins Malen übergehen. Ich denke, Du merkst es auch daran, wenn Du Zwischenfragen stellst oder ob die Schüler bzw. Schülerinnen zwischendurch aufschauen und sich zwischenzeitlich passende Notizen machen. Auch merkst Du es dran, ob diese Schüler zügig ins Tun kommen, wenn sie anschließend eine Aufgabe bearbeiten müssen, oder ob sie noch im Kritzeln verharren. Solltest Du bei Schülern und Schülerinnen bemerken, dass sie sich während des Kritzeln nicht auf den Unterrichtsstoff konzentriren oder abschweifen, dann ist definitiv ein Gespräch über Monitoring (sich selbst beim lernen beobachten) zu empfehlen und mit dem Kind Selbstregulationsstrategien zu überlegen.
Aber ich freue mich, wenn Du eine Lehrkraft bist, die dem Kritzeln grundsätzlich offen gegenübersteht.
Viele Grüße
Bianka
Hallo, eine Erinnerung an Vergangenheit und auch Gegenwart. Mich hat meine „Kritzelei“ damals, sowie auch heute immer bei der Konzentration unterstützt. Auch heute male ich dieselben „Muster“, wie damals. Auch hilft dieses „Kritzeln“ beim Stressabbau. Archimedische Spirale, verzweigte Schnörkel u.v.m. Heute male und schreibe ich. Aphorismen, Sprüche etc.Ich denke…alles hat seinen Grund und gehört zum „Ausleben“ verschiedener Konflikte. Sei es im Unterricht oder im Wartezimmer. LG, Marina Carmen Böhme
Hallo! Danke für den guten Beitrag!
Hast du Links oder Namen zu den Studien, die belegen, dass sich Menschen durch Kritzeln leichter konzentrieren können?
Ich bräuchte die als Argumentationsgrundlage für die Schule.
Beste Grüße! Henrike
Liebe Henrike, dieser Blogbeitrag wurde von meiner Tochter verfasst und beruht auf Erfahrungen und Austausch. Studien, die das Kritzeln als wirksam belegen wurden nicht hinzugezogen. Tut mir Leid, dass ich Dir nicht weiterhelfen kann. LG Bianka
Liebe Henrike,
ich bin jetzt doch auf einen Bericht gestoßen, in dem Studien nachweise beschrieben werden. Schau doch bitte mal hier.
https://www.wiwo.de/erfolg/trends/psychologie-kritzeln-erwuenscht/9482298.html
Herzliche Grüße
Bianka Kröger