Wege aus dem Underachievement
Wie Du Deinen Underachiever unterstützen kannst
Wenn Du erkannt hast, dass Dein Kind unter seinen Möglichkeiten bleibt, fragst Du Dich sicher:
Wie kann ich helfen – ohne Druck, aber mit Wirkung?
In diesem Teil zeige ich Dir:
- Wie Du eine unterstützende Haltung einnimmst
- Welche konkreten Maßnahmen helfen – im Alltag und bei den Hausaufgaben
- Wie Du typische Stolpersteine erkennst und gemeinsam mit Deinem Kind umgehst
Den Ferrari auf die Straße bringen
Underachievement gemeinsam überwinden
Stell Dir die Begabung Deines Kindes wie einen hochmotorisierten Sportwagen vor – einen Ferrari voller Kraft, Potenzial und Geschwindigkeit.
Doch so ein Fahrzeug braucht mehr als nur einen starken Motor, um sein Ziel sicher und effizient zu erreichen.
Damit Dein Kind seine Fähigkeiten entfalten kann, braucht es die Zusammenarbeit eines ganzen Systems: Kind – Eltern – Schule.
Die Schule ist dabei die Straße, auf der der Ferrari unterwegs ist. Sie gibt die Richtung vor, legt das Tempo fest und sorgt im besten Fall für passende Herausforderungen, Sicherheit und Orientierung.
Dein Kind ist Fahrer und Fahrzeug zugleich. Es entscheidet über:
Genügend Sprit (mündliche Mitarbeit, Aufmerksamkeit, Wissen, Lernstrategien),
die passenden Reifen (Materialien und Methoden),
Rechtzeitigen Ölwechsel (Selstregulation, Inhibition, Perspektivwechsel, Sinngebung)
und die richtige Pflege (Hausaufgaben, Zeitmanagement, Fleiß).
Du als Elternteil bist der Boxenstopp, das Navi, das Backoffice und oft auch die emotionale Tankstelle.
Du hilfst beim Orientieren, ermutigst, stärkst und sorgst für eine stabile Beziehung – und manchmal auch dafür, dass überhaupt erst losgefahren werden kann.
Underachievement kann nur dann überwunden werden, wenn alle drei Teile des Systems zusammenarbeiten.
Denn selbst der schnellste Ferrari kommt nicht weit, wenn die Straße nicht passierbar ist, der Fahrer sich nicht orientieren kann oder die Unterstützung am Rand fehlt.
Die wichtigste Grundlage:
Beziehung vor Bildung
Bevor Du an Lernpläne oder Belohnungssysteme denkst:
Dein Kind braucht eine wertschätzende Beziehung.
Kinder kooperieren, wenn sie sich verstanden fühlen.
So schaffst Du Nähe und Vertrauen:
- Aktives Zuhören statt vorschnelle Tipps
- Ich-Botschaften („Ich habe den Eindruck, dass…“) statt Vorwürfe
- Vorhersehbarkeit von Terminen schaffen
- Auch Regeln für bestimmte Situationen können zu einer vertrauensvollen Atmosphäre beitragen
- Verlässliche Routinen schaffen Orientierung und Sicherheit
- Keine abwertenden Aussagen über Lehrkräfte im Beisein des Kindes
Motivation verstehen – nicht nur fordern
Jedes Kind wird durch etwas anderes motiviert. Finde heraus, welches innere Motiv bei Deinem Kind besonders stark wirkt:
- Leistungsmotiv: Erfolg erleben wollen
- Einflussmotiv: Entscheidungen selbst treffen
- Beziehungsmotiv: Nähe und Anerkennung suchen
- Freiheitsmotiv: Autonomie und Selbstbestimmung
Tipps:
- Kombiniere intrinsische und extrinsische Motivation
- Belohnungen sind erlaubt – aber sinnvoll und maßvoll
- Gib Deinem Kind Entscheidungsspielräume – das stärkt Eigenverantwortung
Richtiges Feedback – Lob, das stärkt
„Du bist so clever und talentiert!“
Dieser Satz ist nicht der richtige Weg Deinem Kind zu mehr Selbstbewusstsein und einer hohen Motivation zu verhelfen. Loben von Intelligenz, kann dem Selbstbild sogar erheblich Schaden. Das Kind wird verinnerlichen, dass es clever und talentiert ist und dann mit Fehlern und Hürden nur schlecht umgehen können, denn:
- Fehler stellen die Intelligenz in Frage!
- Scheitern ist ein Beweis für Dummheit!
- Herausforderungen werden vermieden (Ich kann das nicht!)
- Um zu verhindern sich von Rückschlägen gedemütigt zu fühlen, stellt sich das Kind oft besser dar (Es lügt, bzw. gibt an)
- Flucht aus der Verantwortung!
- Entschuldigungen/Ausreden
- Anderen die Verantwortung geben
- Hinausschieben (vielleicht sogar vergessen)
- Zorn/Wut/Trübsal
Besser:
- Den Weg loben, nicht das Ergebnis
- Ermutigen statt bewerten
- Selbstwirksamkeit stärken („Du hast es selbst geschafft.“)
Kinder einbeziehen
Verantwortung wachsen lassen
Findet gemeinsam Lösungen
- Lass Dein Kind Aufgaben mitbestimmen
- Integriere es in Alltagsroutinen (z. B. Hausarbeit)
- Fördere Selbstständigkeit und Mitbestimmung
Selbstregulation fördern – in kleinen Schritten
- Bleib selbst ruhig, bevor Du Dein Kind beruhigst (Co-Regulation)
- Unterstütze Dein Kind, seine Gefühle und Impulse zu benennen
- Hilf beim Aufbau von Struktur, z. B. durch Lernpläne oder Tagespläne
„Setzen Sie im Notfall zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf – und helfen Sie dann Ihrem Kind.“
Vielleicht kennst Du die Ansage im Flugzeug.
Das wirkt im ersten Moment widersprüchlich – schließlich möchten wir doch zuerst für unsere Kinder da sein. Aber: Nur wenn Du selbst atmen kannst, kannst Du auch anderen helfen.
Genau so ist es im Alltag mit Deinem Underachiever:
Wenn Du ruhig, klar und stabil bleibst, gibst Du Deinem Kind Sicherheit und Orientierung.
Eigenen Werte und Einstellung überprüfen
Werte und Einstellungen bilden sich aus Erfahrungen und Wahrnehmungen. Diese sind jedoch individuell und daher sehr subjektiv. Welche Erfahrungen hast Du mit dem Thema Schule und Lernen gemacht? Überprüfe, ob sich die gewonnen Werte und Einstellungen auch auf die heutige Zeit und /oder auch auf Dein Kind beziehen lassen.
Anregung zur Umsetzung schulischer Fördermaßnahmen
- Akzeleration
- Enrichment
- Pull Out-Programme
Hierfür ist eine vertrauensvolle Beziehung zu Schule und Lehrkraft natürlich sehr förderlich.
Wenn Du Hilfe benötigst, um erfolgreicher aus Lehrergesprächen hervorzugehen, dann hole Dir meine Tipps für Lehrergespräche: https://begainstitutimpetus.de/lehrergespraeche/
Interessen, Entwicklung und Begabungen wahrnehmen
- Passende Angebote durch Spielmaterial, Kurse/Hobbies suchen und geben
- Auf der einen Seite eigene Ideen entwickeln lassen aber auch Ideen reingeben
- Möglichkeiten zum Ausprobieren und Experimentieren schaffen
- Langeweile zulassen und aushalten
Eigene Grenzen erkennen
Es kann schön für Dein Kind sein, wenn es montags zum Ballett, dienstags und donnerstags Geige lernt, mittwochs zum Handball, freitags zum Englisch und am Wochenende zum nächsten Begabungszentrum gebracht wird, um am Computer oder Programmierkurs teilzunehmen. Die Frage ist nur, wie viel Stress es für Dich bedeutet, und wie stark Du Deine eigenen Bedürfnisse zum Wohl des Kindes einschränkst. Mache früh genug Deine eigenen Grenzen klar und biete Deinem Kind an, es zu ein bis zwei Aktivitäten zu fahren, weil Du mehr nicht schaffst. So ein Auswahlprozess kann Kindern auch helfen, Prioritäten zu erkennen und zu setzen. Außerdem kann dieses ebenso entlastend für Dein Kind sein, wenn es sich nur auf ein bis zwei Aktivitäten konzentrieren muss, denn es hat so viel mehr Zeit zur freien Verfügung, um z.B. Freunde zu treffen.
Balance in der Familie
In einer Familie sind alle Bedürfnisse gleich wichtig. Egal ob von Papa, Mama dem hochbegabten Kind oder der Geschwister. Schau darum genau, wie Ihr es als Familie schaffen könnt eine Balance zu finden zwischen Anspruch und Bedürfnis des Einzelnen bis hin zu den Möglichkeiten des Einzelnen. Hier kann Dir eine schriftliche Bestandsaufnahme eine Hilfe sein, um den Überblick nicht zu verlieren.
Alltagstipps für die Hausaufgabenzeit
Hilf Deinem Kind mit den Hausaufgaben zu beginnen
Du hast vielleicht, wie schon viele Elternteile eines Underachievers vor Dir, die Erfahrung gemacht, dass der Beginn der Hausaufgaben für Eltern und Kind gleichermaßen stressig ist. Da der Underachiever Schwierigkeiten hat, sich auf eine Vorgehensweise festzulegen (falls er es nicht perfekt machen kann), fährt er seine Arbeit herunter, bevor er überhaupt anfängt und daher besteht keine Aussicht auf einen Anfang. Wenn er die vor ihm liegenden Aufgaben betrachtet, entsteht eine innere Stimme, die warnt: „Ich kann es nicht! Ich werde es nie schaffen!“
Einstieg erleichtern:
- „Auf die Plätze, fertig, los!“ als verbales Startsignal
- Plane gemeinsam mit Deinem Kind: Aufgaben auflisten, Zeiten einschätzen, Pausen einbauen
- Nutze visuelle Hilfen (Timer, Krafttier, Plan an der Wand)
- Anfangs eng begleiten – dann schrittweise loslassen
Lerntagebuch führen:
- Notiere Start- und Endzeiten, Arbeitsphasen, Erfolge
- Wöchentlich gemeinsam reflektieren
- Positives Feedback geben – auch für kleine Fortschritte
Probleme selbst lösen lernen:
- Statt Lösungen vorzugeben: Nachschlagewerke, Lernvideos oder Mitschüler nutzen
- Fragen notieren, um sie gezielt im Unterricht zu klären
- Lerne Hilfestellung durch Fragen zu geben („Was weißt Du schon?“ / „Was brauchst Du, um weiterzukommen?“)
Was tun wenn:
Dein Kind sich sträubt selber einen Plan zu erstellen?
Vielleicht ist die Anstrengungsbereitschaft Deines Kindes für eine zusätzliche Arbeit noch nicht weit genug ausgebildet und da es noch keine Erfahrung damit gemacht hat, kann es dieser Aufgabe noch keinen Sinn geben. Übernimm in diesem Fall die Schreibarbeit. Lass Dir aber in jedem Fall von Deinem Kind diktieren, was in den Plan soll und wie es seine Aufgaben aufteilen möchte.
Dein Kind nicht weiß, was es aufhat?
Es kann sein, dass das Arbeitsgedächtnis Deines Kindes durch den emotionalen Stress während der Hausaufgabensituation gerade nicht optimal funktioniert.
Geht deshalb gemeinsam alle Schulfächer durch und stelle gezielte Fragen, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
Wenn ihm seine Aufgaben dennoch nicht einfallen, darf es selbstverständlich einen Klassenkameraden oder eine Klassenkameradin kontaktieren – achte jedoch darauf, dass Dein Kind diese Nachfrage selbst übernimmt.
Die Hausaufgaben für ein längerfristiges Projekt sind
Leg hierfür mit Deinem Kind einen extra Kalender an. In diesen kann es auch die Termine der Leistungsüberprüfungen und deren Lernzeiten eintragen.
Dein Kind weitere Unterstützung für die Einhaltung des Hausaufgabenplans benötigt?
Hier hilft Deinem Kind womöglich eine Aussicht auf Belohnung. Anfangs können dieses, tägliche Belohnungen sein, später kann man diese durch sammeln von Punkten ausdehnen. Belohnungen sollten nicht unbedingt materiell oder kostspielig sein. Kinder sind oft schon mit einem gemeinsamen Spiel, kleinem Ausflug, einer Massage, Lieblingsgericht kochen… zufrieden.
Weitere Ideen zur Unterstützung Deines Underachievers
Hausaufgaben anpacken
Gib Deinem Kind ein verbales Startzeichen wie „Auf die Plätze fertig los“ oder Achtung! Bereit? Fertig los“. Eine Stoppuhr ist evtl. ein weiteres Hilfsmittel, welches diesen starken Impuls zusätzlich stärkt.
Manche Kinder motiviert es, mit dem anzufangen, was sie am allerwenigsten mögen, um dann mit dem fortzufahren, was Ihnen angenehm ist. Bei anderen Kindern ist das genau anders herum. Finde heraus, welche Arbeitsweise Dein Kind bevorzugt – Vom Leichten zum Schweren oder vom Schweren zum Leichten.
Auch eine visuelle Hilfe kann gute Dienste leisten (das Kind sucht sich zum Beispiel ein Krafttier aus, welches es daran erinnert, dass es mit der Aufgabe anfängt, ebenso geeignet ist aber auch ein Comicbild oder was sonst gefällt.)
Begleite Dein Kind, bis es „warmgelaufen“ ist und entferne Dich dann erst kurzfristig, dann immer länger vom Arbeitsplatz Deines Kindes.
Trage in das Lerntagebuch, die Anfangs- und Endzeiten der tatsächlichen Arbeitszeit ein und bespreche am Wochenende die Veränderungen und Fortschritte mit Deinem Kind. Achte auf ein positives und wertschätzendes Feedback.
Lass Dein Kind selbst bestimmen, wie und womit es an seine Lernzeit erinnert werden möchte (zum Beispiel mit einem Wecker, nach dem Essen durch ein Elternteil …)
Jeder prompte Start wird direkt belohnt, denn dadurch verstärken wir gerade zu Beginn die Handlung. „Das hast du gut gemacht“, „Ich sehe, du hast schon angefangen, prima!“. Mit der Zeit lernt Dein Kind sich selbst zu bestärken „Das habe ich gut gemacht“. Lass Dein Kind sich ruhig selber auf die Schulter dabei klopfen, dieses verstärkt den Effekt noch durch eine weitere Sinneswahrnehmung. (Diese Methode ist auch Bestandteil des Marburger Konzentrationstrainings.)
Eigentlich geht es um zwei Arbeitsaufträge:
- Eine Aufgabe gleich anzupacken
- Die Aufgabenlösung sinnvoll zu planen und diesen Plan auch einzuhalten
Selbstgespräche helfen Deinem Kind in beiden Fällen. Denn durch einen inneren Monolog baut das Kind seinen Willen auf, diese Aufgabe auch wirklich entschlossen anzupacken „Ich muss diese Matheaufgabe lösen. Los geht’s“ oder „Ich habe geplant jetzt die Sätze in Deutsch zu schreiben. Ich lege los!“.
Spiele die das Anpacken von Aufgaben fördern
- Speed
- Speed cups
- Gruselino
- Word a round
- Schnipp schnapp
- Halli Galli
- Brain Box
- Dobble
- Stadt Land Fluss
- Make ‚n Break
- Wettrennen und andere Tätigkeiten um die Wette
- Eieruhr
- Sanduhren
- Pomodoro-Methode
Selbstständigkeit bei Problemen fördern
Klagen Kinder darüber, dass Sie nicht wissen, wie eine Aufgabe funktioniert, springen wir Eltern gerne mit einer schnellen Erklärung oder der richtigen Lösung ein. Dadurch erlernt das Kind jedoch nicht die Fähigkeit zu entwickeln, selbst auf die richtige Lösung zu kommen. Du als Elternteil kannst Dein Kind darin unterstützen, indem Du ihm Hilfe zur Selbsthilfe bietest. Mache Dein Kind mit ergänzenden Hilfsmitteln, die Antwort auf Fragen bieten, vertraut. Dieses können Nachschlagewerke (Lexikon, Wörterbücher, Atlanten, Fachbücher, Tabellen…) oder kindgerechte Internetseiten sein.
Findet Dein Kind mit den angegebenen Hilfsmitteln und auch mit Deiner Unterstützung keine Antwort auf seine Frage, besprich mit Deinem Kind, wie man weiter forschen kann z.B. Freunde, Verwandte oder Nachbarn fragen, in eine Bücherei gehen, andere Seiten im Internet besuchen (eine KI nutzen) oder sogar in einer Universität oder einer Verwaltung anrufen.
Eine weitere und gute Möglichkeit ist es auch, sich Fragen zu notieren und diese am nächsten Tag in der Schule mit Mitschülern und Fachlehrern zu klären.
Vergrabene Schätze heben benötigt Durchhaltevermögen
Ein Underachievement kann für die gesamte Familie sehr belastend sein. Je eher Symptome erkannt werden, desto eher können Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Bedenke aber, je länger Die Schätze deines Kindes schon verbuddelt sind, desto mühsamer wird es diese wieder hervorzuholen. Darum gib nicht auf bei Rückschlägen und gib Dir und Deinem Kind Zeit. Gönn Dir und Deinem Kind Hilfe und Unterstützung damit ihr in der Kraft bleibt und erfreue Dich über jeden noch so kleinen Erfolg mit Deinem Kind.
Du musst diesen Weg nicht allein gehen
Underachievement ist kein einfacher Weg – weder für Dein Kind noch für Dich als Elternteil. Umso wichtiger ist es, die richtigen Schritte zur richtigen Zeit zu gehen – mit Klarheit, Verständnis und professioneller Begleitung.
In meiner Arbeit unterstütze ich Familien mit (hoch)begabten Kindern dabei, die Ursachen von Schulfrust und Lernblockaden zu erkennen und gezielt daran zu arbeiten.
Ob durch eine fundierte Diagnostik, individuelle Beratung oder wirksames Lerncoaching – gemeinsam finden wir heraus, was Dein Kind wirklich braucht, um seinen Weg wieder mit Freude und Motivation zu gehen.
Melde Dich gerne für ein unverbindliches Erstgespräch – ich freue mich, Dich und Dein Kind kennenzulernen.
Lies gerne auch Teil 1 zum Thema Definition und Ursachen von Underachievement

